Auszug aus

Gesetz über das Postwesen des Norddeutschen Bundes.
Vom 2. November 1867.
(zitiert nach: Erste Beilage zu Nr. 68 des Amtsblatts des K. Post-Departements v. 14. Decbr. 1867.)

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen etc. verordnen im Namen des Norddeutschen Bundes, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrathes und Reichstages, was folgt:

Abschnitt I. Gewerbemäßige Beförderung von Personen und Sachen
§. 1.
(Beförderung von Personen)

§. 2.
Die Beförderung
1) aller versiegelten, zugenähten oder sonst verschlossenen Briefe,
2) aller Zeitungen politischen Inhalts
gegen Bezahlung von Orten mit einer Post-Anstalt nach anderen Orten mit einer Post-Anstalt des In- oder Auslandes ist verboten.
Wenn Briefe und Zeitungen (Nr. 1 und 2) vom Auslande eingehen und nach inländischen Orten mit einer Post-Anstalt bestimmt sind, oder durch das Gebiet des Norddeutschen Bundes transitiren sollen, so müssen sie bei der nächsten inländischen Post-Anstalt zur Weiterbeförderung eingeliefert werden.
Unverschlossene Briefe, welche in versiegelten, zugenähten oder sonst verschlossenen Packeten befördert werden, sind den verschlossenen Briefen gleich zu achten. Es ist jedoch gestattet, versiegelten, zugenähten oder sonst verschlossenen Packeten, welche auf andere Weise, als durch die Post befördert werden, solche unverschlossene Briefe, Facturen, Preiscourante, Rechnungen und ähnliche Schriftstücke beizufügen, welche den Inhalt des Packets betreffen.

§. 3.
Die Beförderung von Briefen und politischen Zeitungen (§. 2) gegen Bezahlung durch expresse Boten oder Fuhren ist gestattet. Doch darf ein solcher Expresser von nur einem Absender abgeschickt sein, und dem Postzwange unterliegende Gegenstände weder von Anderen mitnehmen, noch für Andere zurückbringen.

§. 4.
Die Annahme und Beförderung von Briefen und politischen Zeitungen (§. 2) darf von der Post, sofern Vorschriften über Adressirung, Verpackung u. s. w. beobachtet sind, nicht verweigert, insbesondere darf keine im Gebiete des Norddeutschen Bundes erscheinende politische Zeitung, so lange überhaupt der Vertrieb der Zeitungen im Wege des Postdebits erfolgt, von demselben ausgeschlossen und ebensowenig darf bei der Normirung der für die Beförderung und Debitirung der verschiedenen, im Gebiete des Norddeutschen Bundes erscheinenden Zeitungen zu erhebenden Provision nach verschiedenen Grundsätzen verfahren werden.

§. 5.
(Eisenbahn-Concessionen)

Abschnitt II. Von der Garantie.
§. 6. - 15.

Abschnitt III. Besondere Vorrechte der Posten.
§. 16. - 26.

Abschnitt IV. Strafbestimmungen bei Post- und Porto-Defraudationen.
§. 27. - 39.

Abschnitt V. Strafverfahren bei Post- und Porto-Defraudationen.
§. 40. - 53.

Abschnitt VI. Allgemeine Bestimmungen.

§. 54.
Was ein Briefträger oder Postbote über die von ihm geschehene Bestellung auf seinen Diensteid anzeigt, ist so lange für wahr und richtig anzunehmen, bis das Gegentheil überzeugend nachgewiesen ist.

§. 55.
Die Postverwaltung ist für die richtige Bestellung nicht verantwortlich, wenn der Adressat erklärt hat, die an ihn eingehenden Postsendungen selbst abzuholen oder abholen zu lassen. Auch liegt in diesem Falle der Postanstalt eine Prüfung der Legitimation desjenigen, welcher sich zur Abholung meldet, nicht ob, sofern nicht auf den Antrag des Adressaten zwischen diesem und der Postanstalt ein desfallsiges besonderes Abkommen getroffen ist.


§. 56.
Die Postverwaltung ist, nachdem sie das Formular zum Ablieferungsscheine dem Adressaten hat ausliefern lassen, nicht verpflichtet, die Aechtheit der Unterschrift und des etwa hinzugefügten Siegels unter dem mit Namen des Empfangsberechtigten unterschriebenen und beziehungsweise untersiegelten Ablieferungsscheine zu untersuchen und die Legitimation desjenigen zu prüfen, welcher unter Vorlegung des vollzogenen Ablieferungsscheines, oder bei nicht declarirten Sendungen unter Vorlegung der Begleitadresse, die Aushändigung der Sendung verlangt.

§. 57.
Das Bundes-Präsidium ist ermächtigt, durch ein von demselben zu erlassendes und mittelst der für die Publication amtlicher Bekanntmachungen der Behörden bestimmten Blätter zur Kenntniß zu bringendes Reglement, dessen Bestimmungen als ein Bestandtheil des zwischen Absender oder Reisenden einerseits und der Postverwaltung andererseits eingegangenen Vertrages erachtet werden sollen, die weiteren bei der Benutzung der Posten zu Versendungen und Reisen zu beobachtenden Vorschriften zu treffen, insbesondere
1) die Einlieferung der abzusendenden Gegenstände an die Post, deren Rückforderung von Seiten des Absenders und die Bestellung der durch die Post beförderten Gegenstände, sowie die Behandlung nicht bestellbarer Sendungen zu regeln;
2) die Gegenstände zu bezeichnen, welche als zur Beförderung mit der Post nicht geeignet zurückgewiesen werden dürfen oder zurückgewiesen werden müssen;
3) die Bedingungen und Gebühren für baare Einzahlungen, Post-Anweisungen, Vorschuß-Sendungen, Streif- oder Kreuzband-Sendungen, Sendungen mit Waarenproben oder Mustern, offene Karten und recommandirte Sendungen, ferner Bestellung der Expreßbriefe, der Stadtbriefe und der Packete, beziehungsweise der Werthsendungen, durch Factageboten, sowie für die Landbrief-Bestellung zu bestimmen;
4) die Estafetten-Beförderung zu ordnen;
5) die Bedingungen festzusetzen, unter denen Reisende mit den ordentlichen Posten oder mit Extrapost befördert werden und zu bestimmen, was auf den einzelnen Coursen an Personengeld zu entrichten ist; auch
6) die zur Aufrechterhaltung der Ordnung, der Sicherheit und des Anstandes auf den Posten und in den Passagierstuben nöthigen polizeilichen Anordnungen zu treffen.

§. 58.
Alle bisherigen allgemeinen und besonderen Bestimmungen über Gegenstände, worüber das gegenwärtige Gesetz verfügt, soweit jene Bestimmungen nicht auf Staatsverträgen oder Conventionen mit dem Auslande beruhen, werden hierdurch aufgehoben.
Das Briefgeheimniß ist unverletzlich. Die bei strafgerichtlichen Untersuchungen und in Concurs- und civilprozessualischen Fällen nothwendigen Ausnahmen sind durch ein Bundesgesetz festzustellen. Bis zu dem Erlaß eines Bundesgesetzes werden jene Ausnahmen durch die Landesgesetze bestimmt.

§. 59.
Das gegenwärtige Gesetz tritt mit dem 1. Januar 1868 in Kraft.

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Bundes-Insiegel.
Gegeben
Berlin, den 2. November 1867.
(L.S.) Wilhelm.
Graf von Bismarck-Schönhausen.