Marken mit sichtbarem Unterdruck

Betrachtet man den unten abgebildeten Brief von Leipzig nach Liége in Belgien oberflächlich, so sieht er ganz gewöhnlich aus, eventuell erscheint die 2-Groschen-Marke etwas trübe aber auch das ist man ja gewöhnt.

                                       

Bei genauerer Betrachtung der Marke

                                             

fällt dann jedoch ein ocker bis graubraun gefärbter Unterdruck auf. Was hat es damit auf sich?

Hugo Krötsch schreibt in seinem Handbuch (Abschnitt XI Norddeutscher Postbezirk) 1894 dazu auf den Seiten 26 und 27:

Die Echtheitsmerkmale für die Marken Nr. 15 bis 26 sind äußerlich dieselben wie bei denjenigen Nr. 1-12, nur wurde in einem unsichtbaren Unterdruck noch ein besonderes Hilfsmittel zur sofortigen leichteren Echtheitsprüfung hinzugefügt. Die Unterdruckform bestand aus einer bogenförmig durchzogenen, netzartigen Guilloche, welche später auch zu den Occupations-Freimarken als farbiger Unterdruck verwendet wurde und auf denselben deutlich sichtbar ist. Nach den Angaben im III. B.-J. 1892, S.47 u. 48. bestand die Abdrucksubstanz aus Bleisalz, welches, mit chromsaurem Kali behandelt, das Netzwerk gelb, bei Behandlung mit Schwefelwasserstoff, braunschwarz auf dem Papier erscheinen lässt; letzteres giebt natürlich die deutlichste Figur - doch ist es am vorteilhaftesten, das Präparat im Freien auszuführen. Bei den ersten Auflagen der Marken mit diesem Unterdruck sind die Spitzen des Netzwerkes nach unten, von Mitte 1869 dagegen nach oben gerichtet und war letztere Art im Jahre 1870 vorherrschend, während die erstere Art seltener, jedoch vereinzelt auch noch im Jahre 1871 verwendet wurde. Meine Mutmassung, dass dieser Unterdruck gleichzeitig mit den gezähntenMarken eingeführt sei, betätigte sich jedoch nicht, denn ich fand die zuerst verausgabten gezähnten Marken noch ohne das Netzwerk, wie es auch bei den durchstochenen nicht zur Anwendung gekommen ist. Der Unterdruck zeigt sich an den präparierten Marken teils recht scharf, so dass er oft das Markenbild stark zurückdrängt und auch gleichzeitig auf der Rückseite sichtbar ist, teils aber auch undeutlich (wodurch das Markenbild nur unklar erscheint), ohne die Richtung der Spitzen des Netzwerkes erkennen zu lassen. Durch starke Gummierung ist dieses Netzwerk bei einigen Marken auf der Rückseite schwach sichtbar hervorgetreten, weshalb in älteren Katalogen u.s.w. die norddeutschen Marken mit Wasserzeichen aufgeführt wurden. Das Netzwerk ist nicht identisch mit demjenigen auf den preussischen Marken.
Die orange- und ziegelrot-farbigen Marken (Nr. 3, 8, 17 und 22) verändern bekanntlich sehr leicht durch Lagern in fauliger Luft (oxidieren) ihre Farbe in braun bis braunschwarz, was natürlich bei oben angeführtem Präparieren der Marken (Nr. 17 und 22) mit Schwefelwasserstoff sofort eintritt, weshalb tadellose Stücke dieser Art möglicht nicht als Objekte derartiger Untersuchungen benutzt werden sollten; am besten eignen sich dazu die 1 Groschen- und 3 Kreuzermarken, welche auch das hervorgerufene Netzwerk besser erkennen lassen.

Soweit die Auführungen von Hugo Krötzsch. Nun wird man annehmen können, dass der oben gezeigte Brief nicht explizit mit Schwefelwasserstoff behandelt wurde, aber es wird deutlich, dass dieser Effekt durch Umwelteinflüsse hervorgerufen worden sein kann. Hier liegt der Verdacht nahe, dass diese Veränderungen genau wie bei den von Krötzsch erwähnten ½-Groschen- und 2-Kreuzermarken auch durch Lagerung in nicht geeigneten Kunststoff-Folien verursacht wurden. Da der sichtbare Unterdruck viel seltener vorkommt als die genannten verdorbenen orangen Marken, ist dieser Unterdruck offensichtlich widerstandsfähiger gegen Umwelteinflüsse.

Das Fazit ist also: Die Marke sieht interessant aus, sie ist aber schlicht verdorben!