Die deutschen Cartes de
Correspondance Siehe auch Rundbrief 71 Seite 56. Friedrich Spalink Im Archiv
für deutsche Postgeschichte ist 1987
der Artikel „Die deutschen ‚Cartes de Correspondance’ von 1870 und 1871“ von Fr. Spalink erschienen. Er schildert die Geschichte der Cartes de Correspondance (CdC) – erstmals komplett; sie bildet die Grundlage der
neueren Katalogisierung dieser Spezies. Auch heute noch sind die CdC begehrte Sammelobjekte, die in deutschen und
französischen Auktionen Zuschläge von meistens um € 600 erbringen. Da die
wenigsten unserer Arge-Mitglieder den o.a. Artikel kennen, sei er hier,
zusammen mit der neuesten Auflistung der bisher registrierten CdC - gleichfalls
von Fr. Spalink -
wiedergegeben. Im Urtext sind lediglich die Angaben im Zusammenhang mit
neueren Frühdaten aktualisiert worden. Seit Dr. F. Kalckhoff seine Monographie „Die Erfindung der Postkarte und die Korrespondenz-Karten der Norddeutschen Bundespost“ (Leipzig, Verlag Hugo Krötzsch, 1911) veröffentlicht hat, ist viel über diese Karten – vor allem in der philatelistischen Literatur – geschrieben und berichtet worden. Echte Neuigkeiten wurden dabei allerdings kaum mitgeteilt, und eine besonders interessante Spezies deutscher Korrespondenzkarten ist meistens gar nicht erwähnt worden, nämlich die der Cartes de Correspondance (CdC). Denn trotz ihres französischen Aussehens sind sie sehr wohl amtlich-deutschen Ursprungs. Und nicht nur das! Diese Karten haben offensichtlich ihre Existenz der unmittelbaren und persönlichen Initiative Heinrich Stephans zu verdanken, damals Generalpostdirektor (GPD) der Post des Norddeutschen Bundes. Zum besseren Verständnis meiner Argumentation für die Berechtigung dieser hypothetischen Aussage ist es erforderlich, die damaligen Ereignisse und postalischen Verhältnisse kurz zu schildern. Am 19. Juli 1870 erklärte Frankreich den Krieg an Preußen. Damit wurde der über sechs Monate dauernde Krieg der Staaten des Norddeutschen Bundes zusammen mit den süddeutschen Staaten Baden, Bayern und Württemberg gegen Frankreich ausgelöst. Zusammen mit den Heeresverbänden marschierten die den Stäben der Truppen zugeordneten Feldpostanstalten in die Bereitschaftsräume und anschließend in das Kampfgebiet auf französischem Boden. Ergänzend dazu wurden an den Nachschubstraßen verlegbar-stationäre Feldpostrelais eingerichtet. Alle Feldposteinrichtungen dienten grundsätzlich nur den Interessen der Armee und der deutschen Verwaltungsorgane in den besetzten Departements. Bereits am 13. August – nach den ersten, für die deutschen Truppen siegreichen Kämpfe – schlug GPD Stephan vor, den Oberpostdirektor Dr. jur. Friedrich Rosshirt mit der Einrichtung und Leitung eines Landespostdienstes in den besetzten Gebieten zu beauftragen. Am 24. August nahm die entsprechende, einer Oberpostdirektion (OPD) gleichgestellte >Administration der Posten< (AdP) mit wenigen deutschen Beamten ihre – zunächst organisatorische – Tätigkeit in Nancy auf. Am 10. September wurde durch den militärischen Generalgouverneur der Postverkehr für die Bevölkerung freigegeben und durch einige Postanstalten aufgenommen. Verwendet wurden die für alleingültig erklärten, aus Berlin mitgebrachten >Okkupationsmarken<. Da die französischen Postbediensteten in der Regel die deutscherseits erhoffte Mitarbeit verweigerten, war die AdP weitgehend auf die (dann auch angeordnete) Unterstützung durch die Feldpostrelais angewiesen. Seit dem 15. August waren durch das Generalpostamt (GPA) Verhandlungen mit den süddeutschen Staaten über Grundsätze und Einzelheiten (z.B. Tarife) des Postwesens in den besetzten Gebieten und speziell in dem für eine Annexion vorgesehenen Elsaß-Lothringen geführt worden. Während mit Bayern und Württemberg bis zum 29. August eine Einigung erzielt werden konnte, stand die Zustimmung Badens zu diesem Zeitpunkt noch aus. Es drängte nun Stephan, diese zu erhalten und sodann dem Bundeskanzler persönlich zu berichten und dessen Entscheidung zu erwirken. Bismarck befand sich aber während des ganzen Krieges im Großen Hauptquartier (GHQ) des Obersten Kriegsherrn, des Königs Wilhelm I. von Preußen. Dorthin mußte er sich also begeben. Auf dem Wege zum >Kriegsschauplatz< verhandelte Stephan in Karlsruhe mit der Direktion der Großherzoglich Badischen Verkehrsanstalten und erhielt dort am 31. August das Einverständnis zu den geplanten postalischen Regelungen. Am 4. September traf Stephan in Pont-à-Mousson mit Rosshirt zusammen, um mit diesem erfahrenen Beamten zu konferieren und sich zu beraten. Spätestens am 8. September erreichte er das GHQ in Reims, das er bis etwa Ende September 1870egleitete. Und nun ergibt sich eine beachtenswerte Beziehung zwischen den Aufenthalts-zeiten und –orten Stephans zu den frühestbekannten Verwendungsdaten und Orten von vier der fünf Ausgaben der CdC, die für meine Argumentation von entscheidender Bedeutung ist. Aufenthaltsdaten und –orte des GPD Stephan 9. Sept. 1870 mit GHQ in Reims: Vortrag bei Bismarck; u.a. Entscheidung von zwei OPDn für Elsaß-Lothringen und Zuständigkeit der AdP in den (übrigen) besetzten Gebieten. 14. Sept. 1870 mit GHQ in Château-Thierry. Von dort Abstecher zum belagerten Soisson. 17. Sept. 1870 in Nancy. Konferenz mit AdP/Oberpostdirektor Roßhirt, Oberpostdirektor Mießner (etwa) und Postrat Hake, die die OPDn im Elsaß und in Lothringen leiten sollen. 19. Sept. 1870 mit GHQ in Meaux. Stephan erfährt, daß französische Post Okkupationsmarken nicht anerkennt. Folge: Zweifach-(= >Doppel<-)Porto. (2. Okt. 1870 in Straßburg im Els. Telegraphische Meldung an Bismarck über dortige Installation der OPD für das Elsaß. Dann Rückreise nach Berlin.) Diese Angaben sind den Akten des GPA (im Bestand RPM des Zentralen Staatsarchivs der DDR in Potsdam) entnommen, während die folgenden das Ergebnis langjähriger eigener Registrierungen und solcher von Mitgliedern des SPAL/Straßburg sind. Verwendungsdaten und Aufgabeorte von CdC
der verschiedenen Ausgaben (Aufgeführt
sind nur die frühesten Verwendungen. –
Die CdC sind aus bräunlichem – nur die der 2. Ausgabe
aus mehr grauem – Karton von etwas unterschiedlich rauer Konsistenz und Dicke
hergestellt. Ihre Größe schwankt zwischen 159 x 120 und 165 x 107 mm.) Erste (früheste) Ausgabe, Ortsdruck von Reims, ausgegeben durch das K. Pr. Feldpost-Relais (FPR) Nr. 25, Kalckhoff-Nr. 23: 22. Sept. 1870, aufgegeben in Reims. Von dieser Ausgabe sind weitere zehn gebrauchte Exemplare registriert. Zweite (zeitlich vermutlich nächstfolgende) Ausgabe, Ortsdruck von Château-Thierry, ausgegeben durch das FPR Nr. 37, bei Kalckhoff nicht registriert: 20. Sept. 1870, aufgegeben in Château-Thierry. Von dieser Ausgabe sind drei weitere gebrauchte Exemplare registriert. Dritte (zeitlich gesehen) Ausgabe, Ortsdruck von Meaux, ausgegeben durch das FPR Nr. 58, bei Kalckhoff nicht registriert: 26. Sept. 1870, aufgegeben in Meaux. Von dieser Ausgabe sind sieben weitere gebr. Exemplare registriert. Vierte (= 1. allgemeine) Ausgabe der AdP in Nancy, Kalckhoff-Nr. 21: 18. Okt. 1870, aufgegeben in Nancy. Theoretisch muss es frühere Ausgabedaten geben, da bereits am 29. Sept. 1870 die Ausgabe durch den Administrator der Posten, u.a. durch Aushang, bekannt gegeben worden ist. Weitere neunzehn gebr. Exemplare sind registriert. Fünfte (= 2. allgemeine) Ausgabe der AdP (ab 10. Okt.) in Reims, Kalckhoff-Nr. 22: 18. Nov. 1870, aufgegeben in Vitry-le-Francois. Von dieser Ausgabe sind dreizehn weitere gebr. Exemplare registriert. Überlegungen und Schlußfolgerungen Diesen Aufstellungen möchte ich einige Überlegungen folgen lassen. - Als Stephan sich mit dem GHQ an den jeweiligen Standorten Reims, Château-Thierry und Meaux aufhielt, nutzte er mit Sicherheit die Gelegenheit, im Rahmen der Dienstaufsicht die dort stationierten Feldpostrelais aufzusuchen, deren praktischen Dienstbetrieb zu beobachten, Probleme zu erkennen und Maßnahmen zu ergreifen. - An allen drei Orten gab es zu diesem Zeitpunkt keine Postanstalt der AdP. Die K. Pr. Feldpost- Relais Nr. 25 in Reims, Nr. 37 in Château-Thierry und Nr. 58 in Meaux nahmen daher auch Aufgaben des Landespostdienstes in Amtshilfe für die AdP wahr. - Die Korrespondenz der Bevölkerung war damals auf Befehl der Generalgouverneure zu >kontrollieren<. Briefe mußten deshalb in der Regel unverschlossen aufgegeben werden. - Die Einführung der leichter überprüfbaren CdC im besetzten Gebiet drängte sich daher geradezu auf. - Wegen der rein französisch-sprachigen Bevölkerung konnten die in den deutschen Postgebieten vorhandenen Correspondenz-Karten nicht verwendet werden; es mußten daher solcher mit französischem Text hergestellt werden. - Wir kennen Stephans großes Engagement für die Correspondenzkarten. Diese Überlegungen führen zusammen mit den vorher aufgeführten Feststellungen zu meiner Hypothese: GPD Stephan veranlasste persönlich die jeweiligen Vorsteher der K. Pr. Feldpost-Relais in Reims, Château-Thierry und Meaux, eine gewisse Menge dieser Cartes de Correspondance an ihre Stationierungsorten im Vorgriff auf eine zentrale Versorgung durch die AdP sofort drucken zu lassen. Den AdP/Oberpostdirektor Rosshirt veranlasste er anlässlich der Konferenz in Nancy (wahrscheinlich am 17. Sept.), die CdC allgemein in seinem Zuständigkeitsbereich einzuführen. Das geschah mit dem Circular der AdP Nr. 8 vom 29. (!) September 1870, mit dem gleichzeitig ein erster Vorrat an alle Postanstalten und die für den Landespostdienst tätigen FPR verteilt worden ist. (In Elsaß-Lothringen wurden ab 16. Oktober die Correspondenz-Karten des Norddeutschen Postgebiets eingeführt.) Nach der Verlegung nach Reims hat die AdP dort eine weitere Auflage der CdC drucken lassen, von der nur noch wenig Gebrauch gemacht worden ist. Denn bald nach dem Waffenstillstand (ab 28. Jan. 1871) verwendeten die Franzosen lieber wieder zugelassene verschlossene Briefe. Am 10. März 1871 schlossen GPD Stephan und der Directeur Général des Postes, Mr. Rampont, in Reims ein Abkommen, wonach die AdP mit dem 23. März ihre Tätigkeit beendet, und der Postdienst in den besetzten Gebieten durch die französische Administration wieder aufgenommen wurde. Auflistung der bis dato (31. 5. 2006) registrierten
CARTES DE CORRESPONDANCE CdC Nr. 1
/ Ausgabe Reims /
K. Pr. Feldpost-Relais Nr. 25
CdC Nr. 2
/ -Ausgabe Château-Thierry / K. Pr. Feldpost-Relais
Nr. 37
CdC Nr. 3
/ -Ausgabe
Meaux /
K. Pr. Feldpost-Relais Nr. 58
Ein dubioses Stück:
CdC Nr. 4 / -erste Ausgabe der Administration der Posten (noch) in Nancy Die Ausgabe ist dort am 29. Sept. 1870 bekannt gemacht worden.
CdC Nr. 5 / -zweite Ausgabe der Administration der Posten (jetzt) in Reims
Anmerkungen zu den Auflistungen - Einige (Fremd-)registrierungen mit lückenhaften Angaben sind nicht aufgenommen worden.. - Die von Kalckhoff verzeichneten Typen auf Grund geringfügig unterschiedlicher Stellung von Wörtern oder Buchstaben der Inschrift zueinander sind unberücksichtigt geblieben. - Besonders bemerkenswert ist, dass für keine der zwölf in dem unbesetzten Teil Frankreichs gelaufenen CdC eine Nachgebühr erhoben worden ist, wie das bei entsprechenden Briefen die Regel war. Letzteres erfolgte auf Grund der Dienstanweisung vom 8. Sept. 1870, die die Erhebung von Nachgebühren für Briefe aus den besetzten Gebieten vorgeschrieben hat, die nicht mit französischen Marken frankiert waren. Für das o.a. Phänomen fällt mir keine bessere Erklärung ein als diese: In dem betr. ordre de service ist stets nur von „lettres“ (Briefen) die Rede. Offenbar haben die französischen Postbeamten sich rein formalistisch und wortgetreu verhalten: Karten waren keine Briefe. (Hierzu s. meine Arbeit „Doppelporto ...“, Schriftenreihe Nr. 46, Seite 24!) - Anders verhält es sich bei den sieben CdC, die nach Paris gelaufen sind und für die alle „2“ décimes Nachgebühr erhoben worden sind. Hier haben die Beamten das Wort „lettres“ im Erlass des Directeur Général des Postes, Rampont, vom 4. Februar 1871 sinngemäß als für alle eingehenden Sendungen geltend ausgelegt. (Hierzu s. meine Arbeit „Doppelporto ...“, Schriftenreihe Nr. 46, Seite 56!) Ungebrauchte CdC Bisher konnten nur ein Exemplar der Nr. 1 - vorfrankiert mit einer 10-Centimes-Marke - und zwei Exemplare der Nr. 5 registriert werden. Dr. Franz Kalkhoff berichtet in „Die Erfindung der Postkarte ...“, Verlag Hugo Krötzsch, Leipzig 1911, „dass von dieser Art (= seine Nr. 22 = heute CdC-Nr. 5) die meisten Restbestände übrig geblieben sind.“ Allzu groß können diese nicht gewesen sein, da die Nachfrage von Sammlern offenbar größer war als das Angebot. Nur so erklären sich die diversen Fälschungen. Fälschungen der CdC Kalckhoff berichtet von vier „Nachahmungen“ = Fälschungen. Von diesen können die Kalckhoff-Nummern F 1 und F 4 gezeigt werden, da Belege für die Nummern F 2 und F 3 nicht gefunden worden sind. Exemplare der Nr. F 4 fallen sofort durch ihren gelblichen Karton auf, aber auch durch das Wort „certidude“, das richtig „certitude“ geschrieben wird. Bei den Fälschungen Kalckhoff-Nummern F 2 und F 3 ist die Überschrift „Carte de Correspondance“ angeblich 93 mm (!) lang, bei F 2 steht „Le“ über m, p über c und c über s sowie bei F 3 steht p über o. |