Entwicklung der Staaten 1872 bis 1899



Diese Weltkarte aus einem Atlas 1897 zeigt, wie weit die überseeischen Gebiete damals kolonialisiert waren. 

Europa
Nach der Neuordnung Europas durch den Wiener Kongress und  der Ausdehnung Preussens nach dem Deutsch-Dänischen und dem Deutschen Krieg führte der Krieg mit Frankreich 1870/71 zum Eintritt des Deutschen Reichs in die europäische Staatengemeinschaft, die bis 1899 fast unverändert blieb.
Zu den etablierten Staaten Europas: Schweden in Personalunion mit Norwegen, Dänemark mit dem Gebieten Färöer und Island, Grosbritannien - damals noch mit ganz Irland und den Besitzungen Gibraltar und Malta - Russland einschließlich Finnland und Polen, Niederlande in Personalunion mit Luxemburg, Belgien, Frankreich, Schweiz, Oesterreich-Ungarn, Portugal, Spanien, Italien und Griechenland kamen 1861 Rumänien, 1867 Serbien als selbständige Staaten hinzu, sowie durch den Berliner Vertrag 1878 Bulgarien unter türkischer Oberhoheit und Montenegro. Weitere Veränderungen waren: Cypern ab 1878 britisch, vorher türkisch und Helgoland 1890 deutsch, vorher britisch. Das Türkische Reich zähle ich hier ebenso wie Russland zu Europa, obwohl der überwiegende Teil ihrer Besitzungen in Asien lagen.
Nicht vergessen werden sollen hier die Kleinstaaten Liechtenstein, San Marino, Andorra und Monaco, obwohl ihre Souveränität eingeschränkt war.
Schließlich gehört auch noch der Kirchenstaat (Vatikan) zur europäischen Staatengemeinschaft.

Amerika
Auf dem amerikanischen Festland war die Entwicklung der Staaten, wie wir sie heute vorfinden fast abgeschlossen. Kanada und Belize waren noch britische Besitzungen, das dreigeteilte Guayana war in britischen, niederländischen bzw. französischen Händen und Panama gehörte noch zu Kolumbien. Es gab noch mehrere Auseinandersetzungen zwischen den Staaten, die hier unerwähnt bleiben können.
Die amerikanische Inselwelt war dagegen noch fast vollständig in europäischem Besitz. Nur auf der Insel Haiti existierten schon selbständige Staaten: die Republik Haiti und die Dominikanische Republik. Hinzu kam 1898 Cuba - vorher spanisch.
Grönland gehörte zu Dänemark, Bermuda, Bahamas, Jamaika und Trinidad sowie die Falkland-Inseln zu Großbritannien,  Puerto Rico war bis 1898 spanisch und kam dann zu den Vereinigten Staaten.
Ich verzichte darauf, alle Inseln, insbesondere der Kleinen Antillen auch aufzuführen, die alle unter britischer, französischer, dänischer oder niederländischer Herrschaft standen.

Asien
In Asien gab es in dem betrachteten Zeitraum nur sehr wenige selbständige Staaten. Zu nennen sind hier insbesondere Persien, China, Japan umd Siam, aber auch Oman, Afghanistan, Nepal und Bhutan. Tibet und Korea waren weitgehend unabhängig, standen aber unter chinesischem Einfluss. Arabien - das Innere der Arabischen Halbinsel - war zwar von türkischen Küstengebieten eingeschlossen, die dort lebenden Stämme waren jedoch unabhängig. Das 1872 noch unabhängige Annam ging 1885 in den französischen Besitz von Indochina. Brunei auf Borneo kam zunehmend unter britischen Einfluss.
In Zentral-Asien hatte Russland seine Besitzungen ausgedehnt, so dass nur noch Chiva und Buchara als teils selbständige Staaten zu erwähnen sind.
Von den europäischen Besitzungen sollen hier zunächst nur die großen genannt werden:
An erster Stelle Britisch Indien, dass den ganzen indischen Subkontinent und Birma umfasste. In Indien gab es aber sehr viele weitgehend autonome Herrschaftsgebiete, für die Großbritannien nur eine "außenpolitische" Oberhoheit besaß. An den Küsten Indiens gab es mehrere kleine französiche und portugisische Besitzungen, von denen das portugisische Goa die bekannteste ist.
Weiterhin Niederländisch Indien - das heutige Indonesien, wobei Osttimor in portugisischem Besitz war; die Philippinen bis 1898 spanisch, danach zu den USA; Französisch Indochina, das zunächst nur aus Cochinchina bestand, aber dann bis 1887 immer weiter (Annam, Kambodscha, Laos)  vergrößert wurde;
Als weitere britische Besitzungen sind Aden, Bahrein, Balutschistan, Ceylon, Singapur, die Straitssettlements auf Malaysia und Honkong zu nennen. Ende der 80er Jahre wurden Sarawak und Nord-Borneo von Brunei erworben und der südöstliche Teil Neuguineas wurde britisch.
Zu erwähnen ist noch der deutsche Besitz von Nordost-Neuguinea seit 1884.
Alle asiatischen oder ozeanischen Inselgruppen aufzuzählen erspare ich mir.

Australien
Australien war vollständig britisch. Es bildeten sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts folgende Kolonien:
Neu-Süd-Wales, Tasmanien, Westaustralien, Süd-Australien, Neuseeland, Victoria und Nord-Australien.

Afrika
Afrika wurde bis 1900 fast vollständig unter den euopäischen Kolonialmächten aufgeteilt. Übrig blieben als unabhängige Staaten  seit 1872 nur Abessinien, das von Amerikanern 1822 gegründete Liberia, die südafrikanischen Siedler-Republiken Transvaal und Oranje-Freistaat, sowie Swasiland. Seit altersher türkisch war Ägypten und das Gebiet des heutigen Lybien. Marokko - obwohl formal selbständig - geriet schon 1844 unter französischen Einfluss. 1881 wurde Tunesien französisch.
Vor 1872 besetzt waren von Frankreich Algerien und von Großbritannien die Kapprovinz und von Spanien Äquatorialguinea.
Das übrige Afrika war abseits der einzelnen Handelsstützpunkte entlang der afrikanischen Küsten 1872 von Europa aus gesehen  noch weitgehend Terra Incognita. Dies änderte sich in den 80er Jahren  eingeleitet mit der Kongokonferenz in Berlin, auf der die Kolonialmächte ihre Interessengebiete absteckten.
In den Folgejahren entstanden dann die endgültigen Kolonien und auch die innerafrikanischen Grenzen wurden abgesteckt:
Großbrtannien:
Sierra-Leone, Gambia, Goldküste, Nigeria, Betschuanaland, Rhodesien, Ostafrika, Uganda, Mauritius und Britisch-Somaliland.
Ägypten wurde besetzt, blieb aber unter türkischer Verwaltung, später kam dann noch der Sudan hinzu.
Frankreich:
Senegal, Elfenbeinküste, Dahome, Franz. Kongo, Madagaskar, Franz. Somaliland. Später kamen die Sahara-Gebiete hinzu. 
Deutschland:
Togo, Kamerun, Deutsch Süd-West, Deutsch-Ostafrika
Portugal:
Port. Guinea, Angola, Kabinda, Mosambik
Italien:
Eritrea,Ital. Somaliland
Belgien:
Kongo, wobei der Kongo nicht belgische Kolonie wurde sondern Privatbesitz des belgischen Königs Leopold II.

Die afrikanische Inselwelt bleibt wieder unberücksichtigt.

Für den Postverkehr aus deutscher Sicht sind die deutschen Schiffahrtslinien interessant, die auf der oben abgebildeten Karte eingezeichnet sind. Weiterhin gibt die folgende Karte einen Überblick über die Hauptauswanderergebiete Deutscher, sowie über die Missionsgebiete. Auswanderer und Missionare hatten eine besonders enge Verbindung zum Heimatland, die sich durch regen Briefverkehr zeigte.



Karte aus einem Atlas von 1897