Eine Prüfer-Signatur ersetzt nicht die eigenen Kenntnisse

Die abgebildete Marke (s. Bilder links und rechts) erwirbt ein Sammler guten Glaubens und ist sich sicher, dass er eine Seltenheit erworben hat, denn auf der Rückseite prangt ein aa mit einer Doppelsignatur WIEGAND BPP. Er fügt sie zu den vielen anderen Raritäten in seine Sammlung ein. Schließlich wird die Sammlung bei einer Auktion angeboten unter expliziter Nennung dieser 50aa. Die Sammlung wird für über 4000 € von einem Händler erworben.
Bis jetzt haben mindestens ein Sammler, ein Experte bei dem Auktionshaus und ein Briefmarkenhändler offenbar nur auf die Rückseite der Marke geschaut und sie als Garantie dafür genommen, dass eine 50aa vorliegt.

Der Händler will die Marke mit einem neuen Attest verkaufen und schickt sie deshalb Herrn Jäschke-Lantelme erneut zur Prüfung.

Das Ergebnis ist ernüchternd. Die Marke kommt wie eine Fälschung mit dem Stempel 'Farbangabe verändert' zurück. Diese Kennzeichnung mag zwar prüftechnisch korrekt sein, lässt den Besitzer jedoch zunächst ratlos zurück. In seiner Enttäuschung bietet der Händler die Marke so bei  ebay als  50ab an. Es glaubt ihm jedoch keiner so recht und ich kann sie für einen geringen Betrag erwerben, weil mich diese Verfälschung interessiert.

Nun ist zwar bei normalem Tageslicht eine 50aa durchaus von einer 50b zu unterscheiden, jedoch schreibt Zenker u. a.: 'Bei Kunstlicht ist eine Unterscheidung wesentlich schwerer und nur dem Geübten möglich, insbesondere erscheint das bei Tageslicht "edel" wirkende, fast transparente "Lila-Karmin-Bräunlich" bei Kunstlicht mehr als dunkel und stumpf und unterliegt einer Verwechslungsgefahr mit der dunkelrotbraunen Nuance b I.'
Trotzdem ist bei Betrachtung unter UV-Licht sofort klar, dass es sich um eine 50b handelt. Wie hat es der Fälscher also geschafft, diese Signatur anzubringen. Bei stärkerer Vergrößerung und dem Vergleich mit echten Signaturen von Herrn Wiegand wird dies langsam deutlich:







Die links stehende Abbildung zeigt oben vergrößert unsere '50aa', darunter eine a-Signatur einer anderen Marke in die ich ein Wiegand'sches b einkopiert habe.
Auch wenn unten die Namenssignatur etwas anders aussieht, so ist doch schnell durch Vergleich mit anderen Doppelsignaturen zu bestätigen, dass die Namenssignatur auf unserer Marke echt ist.
Der Vergleich zwischen dem oberen falschen aa und dem unteren echten a, zeigt einmal, wie geschickt die Fälschung gemacht ist, zum anderen, dass die oberen a etwas schmaler sind als das untere a. Weiter fällt auf, dass das rechte nachgemachte a genau in den Bauch des Wiegand'schen b passt. Der Fälscher brauchte also nur den senkrechten Strich des b zu entfernen und das neue a in den Bogen des b hinein zu malen. Das linke a wurde dann hinzugefügt.
Wie wurde nun der senkrechte Strich des b entfernt? Ich habe es auch erst entdeckt, nachdem Herr Wiegand mich dankenswerterweise darauf aufmerksam gemacht hat: Es wurde radiert! Und wenn man es weiß, sieht man auch, dass zwischen den beiden a ein senkrechter Streifen des Markenpapiers heller ist.

Noch ein Wort zu dem Ergebnis aller "Behandlungen": Die Marke ist immer noch eine tadellose hervorragend gestempelte 50 b. Ist es wirklich notwendig eine solche Marke wie eine Fälschung zu behandeln? Ich kenne viele Beispiele bei denen Prüfer starke Reparaturen oder Nachzähnungen nur mit einer höher gestellten Signatur bewerten, obwohl die Marke dadurch verfälscht wurde. Aber die Veränderung einer Farbsignatur ist offenbar ein viel schlimmeres Vergehen - oder ?