Bahnpost

Seit Beginn des Ausbaus der Eisenbahnstrecken in den deutschen Ländern wurde die Eisenbahn nicht nur für den allgemeinen Güter- und Personenverkehr genutzt  sondern auch als schnelles Transportmittel für die Brief- und Fahrpost. Die Hauptmenge der zu befördernden Gegenstände der Reichspost wurde in den Postanstalten und Agenturen gesammelt und dann für den Fernverkehr aufbereitet und in Kästen, Säcken und als Einzelstücke mit der Eisenbahn zum Ziel transportiert.
Daneben wurde für den Briefverkehr aber auch ein direkter Zugang zu den Zügen eingerichtet. Auf den Bahnhöfen wurden Briefkästen angebracht, die von den Zugschaffnern, von Beamten im Postwagen oder den Postbeamten am Bahnhof vor Abgang des Zuges geleert wurden. Zusätzlich befanden sich an den Postwagen Briefkästen, in die bei Eintreffen des Zuges Briefe eingeworfen werden konnten.
Diese ohne vorherige Behandlung durch Postanstalten in den Zug gelangten Briefsendungen bezeichnet man als Bahnpostsendungen.

Die Behandlung dieser Sendungen soll im folgenden erläutert werden.
1. Behandlung durch den Zugschaffner
Wenn in einem Zug nur ein Schaffner vorhanden war, so hatte der Schaffner den Aufgabeort und das Datum auf der Briefsendung zu vermerken und die vorhandenen Freimarken kreuzweise von Hand zu entwerten. War der Aufgabeort kein Postort so wurde auch der nächste Postort in Zugrichtung hinzugefügt. Diese Briefsendungen wurden dann soweit mit dem Zug befördert wie es der Zielort erforderte und dann an Postbeamte im Bahnhof übergeben.
2. Behandlung im  Eisenbahn-Post-Büro des Zuges
Die entweder in den Briefkasten am Zug oder am Bahnhof eingeworfenen Briefsendungen wurden ähnlich wie Sendungen, die sonst in Briefkästen vorgefunden wurden, auf Zulässigkeit und Fehler untersucht. Waren die Fehler so gravierend, dass eine Weitersendung nicht zulässig war, so wurden sie auf dem Bahnhof zurückbehalten oder auf der nächsten Haltestelle mit Postanstalt abgegeben. Die übrigen feherhaften Sendungen wurden wie sonst auch behandelt.
Wie üblich wurde, wenn die Sendungen nicht ausreichend frankiert waren, der Fehlbetrag taxiert und die vorhandenen Freimarken entwertet. Die Entwertung geschah durch Bahnpoststreckenstempel (Kursstempel), auf denen die Fahrstrecke des Zuges durch Nennung des Ausgangs- und des Zielbahnhofs, die Zugnummer und das Datum angegeben war. Wenige Stempel tragen zusätzlich die Bezeichnung Eisenbahn-Post-Bureau (E.P.B.). Dieser Stempel war auch noch einmal auf der Rückseite der Briefsendung abzudrucken.
Wie unter 1. erläutert war auch der Aufgabeort und ggf. noch der nächste Postort anzugeben. Für Orte mit größerem Postaufkommen gab es Stationsaufgabestempel, um eine schnellere Bearbeitung zu ermöglichen.
Eine genaue Beschreibung der Behandlung der Bahnpostsendungen ist im § 154 der Postdienst-Instruction von 1872 nachzulesen.
Das Verfahren änderte sich mit Einführung der ovalen Bahnpoststempel ab 1883 (s. unten).

Beispiel

                          

Ein Brief wird an der Bahnstrecke von Gera nach Zeitz in Wetterzeube in einen Zug nach Leipzig in den Briefkasten eingeworfen. Die Bahnstation Wetterzeube hat zu dieser Zeit noch keine Postanstalt. 
Die Behandlung im Postbüro des Zuges entspricht fast dem oben Ausgeführten. Der Kursstempel GERA 6 6 III LEIPZIG zeigt dass es sich um den 3. Zug von Gera nach Leipzig am 6.6. handelt. Zeitz ist die nächste Bahnstation in Fahrtrichtung und hat eine Postanstalt. Unüblicherweise fehlt der rückseitige Abdruck des Kursstempels und ein Ankunftsstempel aus Weimar.
Der verwendete Kursstempel ist lt. Katalog der Bahnpoststempel zur Zeit der Brustschildausgaben  ( W. Hintze, H. Krug; 2010) belegt in den Jahren 1872 und 1873. Er gehört zu den etwas selteneren nachverwendeten Altdeuschland-Stempeln (Feuser Pr1100).

Weitere Beispiele finden Sie bei der normalen Suche nach Belegen unter besondere Stempel: Bahnpoststempel

Behandlung im Eisenbahn-Post-Büro auf dem Bahnhof
Auf größeren Bahnhöfen wurde vielfach ein Eisenbahn-Post-Büro eingerichtet, das die in die Briefkästen eingeworfenen Briefsendungen für die einzelnen abgehenden Züge vorsortierte. Die dort eingehenden Postsendungen wurden mit einem E.P.B-Stempel versehen und vorhandene Freimarken auch mit diesem Stempel entwertet. Dieser Stempel enthielt den Namen des Aufgabeortes, die Abkürzung E.P.B und das Datum. Diese Sendungen erhielten im Zug keine weiteren Abstempelungen.  Die so behandelten Sendungen werden auch noch zu den Bahnpostsendungen gerechnet.

Verwendete Stempelformen
Die für die Bahnpost verwendeten Stempelformen sind vielfältig und können hier nicht alle behandelt werden.
Die Stationsaufgabestempel sind überwiegend Einzeiler oder einzeilige Kastenstempel, die nur den Ortsnamen enthalten. Seltener sind E.P.B. Stempel  ohne Datum.
Als Kursstempel weit verbreitet sind 3-Zeiler mit Ausgangsort, Datum (Tag und Monat) + Zugnummer und Zielort (s. Beispiel).

Einführung der ovalen Bahnpost-Stempel
1883 wurden die ovalen Bahnpost-Normstempel zunächst für die Schaffner-Bahnpost eingeführt. Mit der Verwendung dieser Stempel wurde auf eine Bezeichnung des Aufgabeortes für den normalen Briefverkehr verzichtet. Nur im Grenzverkehr zu ermäßigter Taxe blieb die Pflicht zur Nennung des Aufgabeortes bestehen. Dieser Stempel auf der Briefpost war gleichzeitig Aufgabestempel und Entwertungsstempel für die verwendeten Freimarken.
Ab 1884 wurden dann nach und nach auch die bisher vorhandenen Kursstempel durch die neuen  Stempel ersetzt.
Bei den ovalen Stempeln wurden die Zugfolgenummern durch die in den Eisenbahnfahrplänen genannten Zugnummern ersetzt.  Für jede Zugstrecke wurde nur ein Stempel hergestellt. Die Fahrtrichtung ist also der Zugnummer zu entnehmen und nicht mehr der Bezeichnung der Fahrstrecke.