Telegraphische Depeschen
Telegraphische Depeschen, kurz Depeschen - heute würde man Telegramme sagen - werden normalerweise nicht mit der Post versendet. Sie werden im Orte der annehmenden Telegraphenstation per besonderen Boten dem Empfänger zugestellt. Anders verhält es sich, wenn am Bestimmungsort keine Telegraphenstation vorhanden ist. Dann wird die Depesche in einem adressierten Umschlag der Post zur weiteren Beförderung übergeben. In der Telegraphenordnung von 1872 heißt es dazu: 'Befindet sich am Bestimmungsorte keine Telegraphenstation, so erfolgt die Weiterbeförderung von der äußersten, beziehungsweise der von dem Aufgeber bezeichneten Telegraphenstation entweder durch die Post oder durch Expressen. Depeschen jeglicher Art, welche per Post weiter zu befördern oder poste restante zu deponieren sind, werden von der Ankunftstation als rekommandirte Briefe zur Post gegeben, ohne Kosten für den Aufgeber und für den Empfänger.' Ausgenommen sind im Inland diejenigen Depeschen, 'wenn sich am Betstimmungsorte eine Telegraphenstation befindet, der Aufgeber jedoch die Weiterbeföderung seiner Depesche per Post von einer bestimmten Station aus verlangt.' In diesem Fall 'fällt das Porto dem Adressaten zur Last. Die Kosten für die Weiterbeförderung per Expressen werden in der Regel vom Adressaten erhoben.' Zitiert aus Telegraphen-Ordnung für das Deutsche Reich, Reichsgesetzblatt Band 1872, Nr. 20. Seite 213-228. in der Fassung von de.wikisource.org/wiki/Telegraphen-Ordnung_für_das_Deutsche_Reich Beispiel Abgebildet ist die Vorderseite des Umschlags einer Depesche an Königliche Hoheit Landgräfin Marie von Hessen Philippsthal. Schloss Philippsthal liegt auf einer Postroute 25 km vom hessischen Hersfeld entfernt und gehört postalisch zu der thüringischen Stadt Vacha. Deshalb wird der Depeschenumschlag entsprechend adressiert. Es wird noch hinzugefügt 'Portpflichtige Dienstsache' (es handelt sich also um eine dienstliche Depesche) und die vorgedruckten Worte 'Recommandirt' und 'gegen Empfangsschein' gestrichen. Das Postamt in Hersfeld bestätigt den Eingang mit dem Stempel HERSFELD * c 25/3 78 10-11V. Die blau taxierte 10 legt jetzt nahe, dass in der Stadt Vacha eine Telegraphenstation vorhanden ist und deshalb die Portokosten für den Brief bis dahin dem Empfänger zugeschrieben werden. Bei Ankunft in Vacha wird die Depesche per Boten ins 3 km entfernte Philippsthal zugestellt. Der Botenlohn ist mit 75 Pfg. auf dem Umschlag ausgewiesen. Dies ist 1878 die Mindestgebühr für die Expressbeförderung in den Landbestellbezirk. Offen bleibt, warum die absendende Dienststelle Hersfeld als Ziel angegeben hat. Meine Vermutung ist, dass der Beamte bei der Suche nach der nächsten Telegraphenstation für den hessischen Zielort Philippsthal nur hessische Orte in Betracht gezogen hat, nicht wissend dass dieser Ort postalisch zur Oberpostdirektion Erfurt gehört. |