Nicht alle Beamten der Reichspost sind sorgfältig



Bei  einer ersten Betrachtung dieses Begleitbriefes für ein Wertpaket fällt vor allem seine schlampige Behandlung durch die Reichspost auf. Er hat jedoch auch noch seine Besonderheiten, die erst bei der Betrachtung seiner Rückseite auffallen.



Der Absender hat ein Blatt in beiden Richtungen gefaltet und diese Faltung rückseitig mit seinem Siegel befestigt. Eine Siegelung des Begleitbriefes war bei Wertpaketen bis zum 25.12.1873 vorgeschrieben. Die Bestimmung im Abs. II des § 5 der Postordnung lautet: "Begleitbriefe zu Packeten mit Werthangabe müssen mit dem Abdruck desjenigen Petschafts in Siegellack versehen werden, welches zur Versiegelung des Packetes benutzt ist." Man kann also hier von einem Minimalaufwand für einen Begleitbrief sprechen. Auf der Vorderseite notiert der Absender die Anschrift für ein Wertpaket mit einem Wert von 10 Thalern an Herrn Leopold Gutmann in Frankfurt am Main. Auf der Post in Wiesbaden wird zunächst ein Aufgabestempel angebracht (ein nachverwendeter Preußen-Stempel  [ Feuser Pr3531 ]) mit Datum 4.6.1872 4-5Uhr nachmittags, das Paket gewogen und 2 Pfund  100g notiert. Auch ein W zur Kennzeichnung als Wertpaket wird angebracht und die Gebühren mit 2 1/2 Groschen in Rot ausgewiesen. Die Gebühren setzen sich zusammen  aus der Mindestgebühr für ein Paket von 2 Groschen für eine Entfernung von bis zu 5 Meilen und 1/2 Groschen Versicherungsgebühr. Inzwischen ist der Begleitbrief offenbar weitergereicht worden. Die  Marken aus der ersten Brustschild-Serie werden lieblos aus einem Streifen mit der Schere abgeschnitten und aufgeklebt. Dabei gelingt es dem Beamten die 1/2-Groschen-Marke mit einem Bug aufzukleben. Beide Marken werden  sehr nachlässig gestempelt (mit einem nachverwendeten T&T Stempel  [ Feuser TT534B ] ) mit gleichem Datum und Uhrzeit. Zusätzlich wird der Aufkleber für die Paketnummer aufgebracht. Auch er wird abgerissen statt korrekt geschnitten.
In Frankfurt am Main angekommen, erhält der Begleitbrief einen Ankunftstempel mit gleichem Datum und der Ankunftszeit 8-12 Uhr (ein nachverwendeter Preußen-Stempel [ Feuser Pr898A ]). Offenbar besteht in Frankfurt eine Zustellmöglichkeit, denn es werden die Zustellgebühren in Höhe von 2 Kreuzern auf der Rückseite ausgewiesen. Das Paket trifft beim Empfänger auf Ablehnung. Herr Gutmann schreibt auf der Rückseite:
Wird nicht retour genommen
Nicht angenommen Ld. Gutmann
Absender muthmasslich Herr Lommel bei Herrn Uhrmacher Dreysbusch
Der erste Satz bedeutet offenbar, dass Herr Gutmann nicht bereit ist, die Rücksendegebühren zu bezahlen. Herr Gutmann meint das Siegel mit den Initialen C L zu kennen, ist sich aber nicht ganz sicher.
Die Gebühren, die für die Rücksendung in gleicher Höhe zu entrichten sind, werden auf der Vorderseite des Begleitbriefes mit blauem Stift notiert. Erneut ist ein Beamter sehr nachlässig und kleckst mit einer viel zu tief ins Tintenfass getauchten Feder über den Begleitbrief, streicht den Zielort durch und notiert  "retur Wiesbaden".
In Wiesbaden angekommen erhält der Begleitbrief noch den Ausgabestempel vom 8.6.