Ein Schreiben eines Gerichts auf dem Wege zur Post

Der Weg eines Gerichtsschreibens bis zur Aufgabe bei der Post soll anhand eines gut erhaltenen Dokuments aus dem Jahre 1888 erläutert werden.
In diesem Fall handelt es sich um einen Strafbefehl. Der folgende Text wurde zunächst von einem Gerichtsschreiber auf einen zur Hälfte gefalteten und mit geprägtem Siegel des Amtsgerichts versehenen Bogen auf die ersten drei Seiten von Hand geschrieben.

C.40.88/1

Strafbefehl.
Auf Antrag der Königlichen Amtsanwaltschaft ist gegen Ihren Kuhhirten Friedrich Ohm wegen der Beschuldigung, am 23. Mai d. J. Vormittags 10 1/2  Uhr im Jagen 244 des Königlichen Forst zwölf  Stück Groß- und fünf Stück Jungvieh, dem Mühlenbesitzer Ramm gehörig, unbefugt geweidet zu haben,
- Uebertretung gegen §. 14 des Feld- und Forstpolizeigesetzes vom 1. April 1880 (G.S.S. 230) - wofür als Beweismittel bezeichnet sind das Zeugniss des Försters Jagusch zu Forsthaus Rottstiel, eine dem Justizfiskus gebührende Geldstrafe von dreißig Mark, und im Falle dieselbe nicht beigetrieben werden kann, eine fünftägige Haftstrafe festgesetzt, ihm auch die Kosten mit 2,40 M auferlegt.
Sie als Dienstherr des Ohm werden für den Fall des Unvermögens desselben für die gegen ihn festgesetzte Geldstrafe von 30 Mark und die oben berechneten Kosten mit 2,40 M nach §. 5 des Feld- und Forstpolizeigesetzes vom 1. April 1880 für unmittelbar haftbar erklärt.
Dieser Strafbefehl wird vollstreckbar, wenn Sie nicht binnen einer Woche nach der Zustellung desselben bei dem unterzeichneten Gericht schriftlich oder zu Protokol des Gerichtsschreibers Einspruch erheben.
Die Geldstrafe und die unten berechneten Kosten sind an die hiesige Gerichtskasse im Amtsgerichtsgebäude Friedrich Wilhelmstraße binnen einer Woche nach dem Eintritt der Vollstreckbarkeit bei Vermeidung der Zwangsvollstreckung zu zahlen. Bei der Zahlung ist dieser Strafbefehl vorzulegen oder durch Angabe Ihres Namens und der Geschäftsnummer genau zu bezeichnen.

Neu Ruppin, den 15. August 1888
Königliches Amtsgericht
gez. Pelzer
Ausgefertigt
(Siegelstempel des Amtsgerichts und unleserliche Unterschrift)
Gerichtsschreiber i. V.

Kostenrechnung.
1. Gebühr für den Strafbefehl .... 2,00 M
    (§. 63 des Gerichtskostengesetzes)
2. Schreibgebühr ......................0,40 M
                                zusammen 2,40 M

An den Mühlenbesitzer
Herrn Ramm
zu Boltenmühle
bei Neu-Ruppin


Dieses Schreiben wurde dem Gerichtsvollzieher Paethke übergeben. Dieser versah das Schreiben mit seinem Eingangsstempel und vermerkte das Eingangsdatum 31.8.1888 und sein Aktenzeichen
D.R.B No. 878.


Das Schreiben wurde noch einmal gefaltet, so dass die unbeschriebene vierte Seite die Außenseiten bildete. Die eine Außenseite wurde mit einem Vordruck versehen, der dann handschriftlich ausgefüllt wurde und folgenden Text ergab (handschriftliche Teile kursiv).

Abschrift.
Zustellungsurkunde
Ausfertigung vorstehenden Schriftstücks nebst Abschrift dieser Urkunde habe ich im Auftrage des Königlichen Amtsgerichts zu Neu-Ruppin in einem mit meinem Dienstsiegel verschlossenen, mit der Geschäftsnummer D.B. Nr. 878 bezeichneten und mit folgender Adresse:
                        An den Mühlenbesitzer Herrn Ramm zu Boltenmühle
versehenen Briefe zum Zwecke der Zustellung an den bezeichneten Empfänger der Postanstalt zu Neu-Ruppin mit dem Ersuchen übergeben, die Zustellung  einem Postboten des Bestimmungsortes aufzutragen.
Neu-Ruppin, den 2 September 1888
D.B. 878                                                Paethke
Gebühren:                                       Gerichtsvollzieher in Neu-Ruppin
Zustellung        0,25 Mk.
Postgebühren   0,25 "
             Sa.      0,50 M

Diese "Zustellungsurkunde" darf nicht mit der im Postbetrieb verwendeten Urkunde verwechselt werden. Im § 177 der Zivilprozessordnung heißt es:
"Daß die Uebergabe (an die Post) in der bezeichneten Art geschehen, ist von dem Gerichtsvollzieher auf der Urschrift des zuzustellenden Schriftstücks oder auf einem mit derselben zu verbindenden Bogen zu bezeugen." Dies ist in der oben beschriebenen Form hier geschehen, und zwar als Abschrift, da das Original bei Gericht verblieb.

Das Schreiben  wurde dann auf dem letzten freien Teil  adressiert, gefaltet und verschlossen mit dem Siegel des Gerichtsvollziehers versehen mit dem damals üblichen Zustellungsformular (nicht vorhanden) zum Postamt in Neu-Ruppin gebracht.

Nach Bearbeitung durch die Post hat die Anschriftseite dann folgendes Aussehen:



Es ist der übliche Brief mit angefügter Zustellungsurkunde entstanden.