Wertbriefe im Deutschen Reichspostgebiet 1872-1900

Wertbrief -  Verpackung  - Gebühren - Bestellung  - Beipiel

Die Reichspost ermöglichte es, Wertgegenstände, soweit sie sich zur Briefbeförderung eigneten und nicht schwerer als 250g waren, versichert als Wertbrief zu versenden. Als Wertgegenstände kommen dabei insbesondere Bargeld -  Münzen und Papiergeld -  sowie Wertpapiere, Wechsel und Dokumente von besonderem Wert in Frage. Die Reichspost kontrollierte den Inhalt nicht. Für die Angabe des Wertes gab es folgende Vorschrift:

(zitiert aus dem §7 der Postordnung von 1892, die Vorschrift war aber inhaltlich gleich für den gesamten Zeitraum gültig)

I Wenn der Werth einer Sendung angegeben werden soll, so muß derselbe bei Briefen in der Aufschrift ... ersichtlich gemacht werden.

II Die Angabe des Werths einer Sendung hat in der Reichswährung zu erfolgen. Der angegebene Betrag soll den gemeinen Werth der Sendung nicht übersteigen.

III Bei der Versendung von kurshabenden Papieren ist der Kurswerth, welchen dieselben zur Zeit der Einlieferung haben, bei der Versendung  von hypothekarischen Papieren, Wechseln und ähnlichen Dokumenten derjenige Betrag anzugeben, welcher voraussichtlich zu verwenden sein würde, um eine neue rechtsgültige Ausfertigung des Dokuments zu erlangen, oder um die Hindernisse zu beseitigen, welche sich der Einziehung der Forderung entgegenstellen würden, wenn das Dokument verloren ginge. Ist aus der Werthangabe zu ersehen, daß dieselbe den vorstehenden Regeln nicht entspricht, so kann die Sendung zur Berichtigung zurückgegeben werden. Ist letzteres aber auch nicht geschehen, so darf dennoch aus einer irrthümlich zu hohen Werthangabe ein Anspruch auf Erstattung des entsprechenden Theiles der Versicherungsgebühr nicht hergeleitet werden.

Die Aufgabe eines Wertbriefes erfolgte am Postschalter. Das exakte Gewicht des Briefes wurde auf der Anschriftseite des Briefes vermerkt. Es wurde ein  Einlieferungsschein ausgestellt. Unfrankierte Wertbriefe kosteten 1 Sgr. extra, soweit es sich nicht um portopflichtige Dienstsachen handelte.

Verpackung

Die Verpackung war besonders vorgeschrieben. Zunächst galt ab 1.1.1872 die Formulierung:

Briefe mit Werthangabe (Gold, Silber, Papiergeld, Werthpapiere u. s. w.) müssen mit einem haltbaren Kreuzcouvert versehen und mit fünf glei­chen Siegeln gut verschlossen sein.

Diese Formulierung wurde bald als zu eng empfunden und wurde ab 3.3.1873 durch folgende Formulierung ersetzt:

Briefe mit Werthangabe (Gold, Silber, Papiergeld, Werthpapiere u. s. w.) müssen mit einem haltbaren Umschlage versehen und mit mehreren, durch dasselbe Petschaft in gutem Lack hergestellten Siegelabdrücken dergestalt verschlossen sein, daß eine Verletzung des Inhalts ohne äußerlich wahrnehmbare Beschädigung des Umschlages oder des Siegelverschlusses nicht möglich ist.

Für die Verpackung von Münzen galt:

Geldstücke, welche in Briefen versandt werden, müssen in Papier oder dergleichen eingeschlagen, und innerhalb des Briefes so befestigt sein, daß eine Veränderung ihrer Lage während des Transports nicht stattfinden kann.


Gebühren


Die Gebühren wurden durch das Posttaxgesetz geregelt. Dort heißt es zunächst ab 1.1.1872

Für Sendungen mit Werthangabe wird erhoben:
a) Porto, und zwar:
für Briefe, ohne Unterschied der Schwere derselben, auf die nach §. 2 ermittelten Entfernungen
            bis 5 Meilen   ............ 1 ½ Sgr.,  
über 5   bis 15 Meilen  ............ 2       "    
  "    15  "    25  "        ............ 3       "    
  "    25  "    50  "        ............ 4       "    
   "   50 Meilen  ...................... 5      "    

und
b) Versicherungsgebühr.
Dieselbe beträgt auf die nach § 2 ermittelten Entfernungen und nach Maßgabe des angegebenen Werths:
bis 50 Thaler über 50 bis 100 Thaler bei größeren Summen
für je 100 Thaler
bis 15 Meilen ½ Sgr. 1 Sgr.  1 Sgr.
über 15 bis 50 Meilen 1 Sgr. 2 Sgr. 2 Sgr.
über 50 Meilen 2 Sgr. 3 Sgr. 3 Sgr.


Diese Regelung sah die Reichspost offenbar als zu unhandlich an. Das Posttaxgesetz wurde mit Wirkung ab 1.1.1874 geändert. Ab dann lautet die Vorschrift:

Für Sendungen mit Werthangabe wird erhoben:
a) Porto und zwar

für Briefe ohne Unterschied des Gewichts,
auf Entfernungen bis 10 Meilen einschließlich 2 Sgr.,
auf allen weiteren Entfernungen .................. 4  "
Für unfrankirte Sendungen wird ein Portozuschlag von 1 Sgr. erhoben.
und

b) Versicherungsgebühr ohne Unterschied der Entfernung und zu jeder Höhe der Werthangabe gleichmäßig ½ Sgr. für je 100 Thaler oder einen Theil von 100 Thalern, mindestens jedoch 1 Sgr.

Für die Umrechnung in Gulden gilt 100 Thaler = 175 Gulden bzw. 2 Sgr. =  7 Kreuzer.  Bei den Gebühren gelten folgende Entsprechungen:
Groschen   ½   1   1½   2    3       4     5
Kreuzer       2   4    6     7   11*)  14   18
*) bei der Versicherungsgebühr 3 Sgr. = 10 Kreuzer

Die Entfernungen wurden nach folgender Regel (s. § 2 Posttaxgesetz) berechnet:
Die Entfernungen werden nach geographischen Meilen, zu 15 auf einen Aequatorgrad, bestimmt. Das Postgebiet wird in quadratische Taxfelder von höchstens 2 Meilen Seitenlänge eingetheilt. Der directe Abstand  des Diagonal-Kreuzpunktes des einen Quadrats von dem des anderen Quadrats bildet die Entfernungsstufe, welche für die Taxirung der Sendungen von den Postanstalten des einen nach denen des anderen Quadrats maßgebend ist. Die bei den Entfernungsstufen sich ergebenden Bruchmeilen bleiben unberücksichtigt.

Die Gebühren für Wertbriefe galten auch für Sendungen im Ortsbereich. Dort wurden die Tarife nach den geringsten Entfernungsstufen angewendet.

Die Gebühren blieben bis zum 31.3.1900 unverändert und waren nur auf Mark und Pfennig umzurechnen (1 Thaler = 3 Mark, 1Sgr. = 10 Pf.).


Bestellung


Während des gesamten Zeitraums wurden Wertbriefe nicht automatisch zugestellt, sondern zunächst nur ein Ablieferungsschein bestellt.
In der Regel war dann der Wertbrief am Postamt abzuholen..
Soweit es nach den örtlichen Gegebenheiten möglich war, konnte der Wertbrief aber auch gegen eine Gebühr zugestellt werden.
In der Postdienst-Instruktion von 1872 ist nachzulesen:

Außer den vorbezeichneten Gegenständen werden zur Bestellung an Adressaten, welche im Landbestellbezirk der Postanstalt wohnen, noch mitgegeben:
alle Briefe, deren angegebener Werth im Einzelnen bis zu funfzig Thalern einschließlich beträgt, ohne Ausnahme; ...

Alle anderen Gegenstände müssen bei der Postanstalt des Bestimmungsorts abgeholt werden.
Wenn bei einzelnen Postanstalten in Bezug auf die Bestellung der Postsendungen weitergehene Einrichtungen, als vorstehend angegben, betstehen, kann es bei diesen Einrichtungen vorerst sein Bewenden behalten.

Über die Höhe der Bestellgebühr wird jedoch keine Angabe gemacht. Die Höhe des Bestellgeldes ist jedoch auf der Rückseite des Briefes mit rotem Stift auszuweisen.

Ab 1.1.1875 blieb es zwar bei dem oben genannten Grundsatz, die Bestellgebühren wurden jedoch einheitlich festgelegt:
im Ortsbestellbezirk:
bei einer Wertangabe bis 1500 Mark  5 Pf.
                                        über 1500 - 3000 Mark 10 Pf.
                                        über 3000 Mark 20 Pf.
im Landbestellbezirk  10 Pf.

Zum 1.4.1886 wurde zum ersten mal in der Postordnung erwähnt, dass die Bestellgebühren auch im Voraus entrichtet werden können:
Die Bestellgebühren können vom Absender im Voraus entrichtet werden. In solchem Falle ist in der Aufschrift der Sendung von dem Absender der Vermerk „einschließlich Bestellgeld frei“ niederzuschreiben.
Tatsächlich gab es diese Möglichkeit von Anfang an.

Beispiel

Eine Bank in Berlin besorgt für eine Kundin in Bonn einen Hypothekenpfandbrief über 300 Mark und sendet diesen am 5.8.1895 mit Rechnung über 311,20 Mark nach Bonn. Dies geschieht mit einem gesiegelten, 27 Gramm schweren Wertbrief mit einem angegebenen Wert von 300 Mark (dem Nominalwert des Pfandbriefs) und einer Nachnahme über 311,20 Mark (Rechnungsbetrag). Das Porto setzt sich zusammen aus 40 Pf.  Gebühr für den Wertbrief (Entfernung über 10 Meilen) , 10 Pf. Versicherungsgebühr und 10 Pf. Nachnahmegebühr.



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