Belege ohne Marken 1872-1900
Beispiele finden Sie in meiner Sammlung


1. Ganzsachen
Ganzsachen sind Belege mit vorgedruckten Wertstempeln. Es gab sie bei der Deutschen Reichspost ab 1872 als Briefumschläge und Streifbänder - diese bis Dezember 1890 - , ab 1873 als Postkarten (auch als Doppelpostkarten mit anhängender Antwortkarte), ab 1876 als Rohrpostumschläge und -karten, ab 1880 als Postanweisungen und ab 1897 als Kartenbriefe. Daneben konnte man sich seine eigenen Ganzsachen durch die Reichsdruckerei herstellen lassen. Diese Privatganzsachen bilden ein eigenes Sammelgebiet.
Eine Aufstellung über die Ganzsachen der Deutschen Reichspost enthält der MICHEL Ganzsachen-Katalog Deutschland.

2. Portofreiheiten
Nach dem Gesetz über die Portfreiheiten, das vom Deutschen Reich als Reichsgesetz vom Norddeutschen Bund übernommen wurde, gab es eine Reihe von Personen und Institutionen, die Sendungen entweder ohne Bezahlung von Porto oder Gebühren mit der Post verschicken durften, oder bei denen die Gebühren pauschaliert erhoben wurden.  Darüber wird in dem Beitrag über Portovergünstigungen berichtet.

3. 'Barfrankaturen'
Einigen großen Postanstalten war es gestattet worden, zur schnelleren Abfertigung von in großen Mengen eingelieferten Postsendungen die zu entrichtenden Porti und Gebühren pauschal und bar zu entrichten. Diese Sendungen wurden mit einem besonderen Aufgabestempel versehen. Üblich waren Einkreisstempel, die zusätzlich durch ein F gekennzeichnet waren, sogenannte Franco-Stempel. Es gibt aber auch andere Formen wie z. B. verschiedene Berliner Stadtpost-Franco-Stempel. Die Franco-Stempel findet man häufig auch in Rot oder Violett.
Es war vorgeschrieben, den zu entrichtenden Betrag mit Rotstift auf der Adress-Seite des Belegs zu vermerken. Man kann aber auch z. B. Berliner Stadtpost-Belege ohne diese Vermerke finden.
Eine Aufstellung aller Franco-Stempel findet sich in 'Handbuch und Katalog der deutschen Franco-Stempel 1864-1880'. Ingo von Garnier, Constantin Zirz, 3.Aufl. 2010, Schriftenreihe ArGe Norddeutscher Postbezirk.

4. Unfreie Sendungen
Vorweg sei erwähnt, dass Postkarten, Drucksachen und Postanweisungen nur mit Briefmarken frankiert oder als Ganzsachen versendet werden durften.
Bei den anderen Sendungen konnte der Absender wählen, ob er das Porto selbst zahlen wollte - die Sendung also frei machen wollte - oder es dem Empfänger überlassen wollte, das Porto und die Gebühren zu bezahlen. Die Absicht, das Porto zu entrichten, wurde auf der Sendung durch die Worte frei oder franco ausgedrückt. In diesen Fällen wurden Porto und Gebühren vom Absender entrichtet und in der Regel der Gegenwert in Briefmarken verklebt (Ausnahmen s. Ganzsachen und Franco-Stempel).
Sollte der Empfänger die Gebühren entrichten, so fehlte auf der Adress-Seite der Sendung das Wort frei oder franco. Der annehmende Postbeamte zeichnete solche Sendungen mit dem nicht entrichteten Betrag mit blauem Stift oder Tinte aus. Dies wird auch als Taxierung bezeichnet. Hinzuweisen ist darauf, dass bei unfreien Briefen eine zusätzliche Gebühr von 1 Sgr. bzw. 10 Pfg. erhoben wurde - ausgenommen portopflichtige Dienstsachen (s. Portovergünstigungen).
Davon zu unterscheiden sind mit Rotstift vermerkte Beträge. Durch diese wurde der vom Absender zu entrichtende Betrag festgestellt und in der Regel durch Briefmarken ausgeglichen. Zusätzlich wurden z. B. bei Paketen die Zustellungsgebühren in der Regel auf der Rückseite des Beleges mit Rotstift durch die Postanstalt des Empfangsortes festgestellt. Dazu zählen auch die Gebühren für die Eilzustellung, soweit sie nicht vom Absender gezahlt wurden.

Zusätzlich seien folgende Besonderheiten angemerkt:

a) Zustellungsurkunden
Das Verfahren bei Zustellungsurkunden wird gesondert dargestellt.
b) Rückscheine
Einschreiben mit Rückscheinen wurden in der Regel so frankiert, dass das Porto für das Einschreiben auf der Einschreibsendung  und das Porto für den Rückschein auf dem Rückscheinformular verklebt wurde.
Es kommt aber auch vor, dass das Gesamtporto auf dem Einscheiben verklebt wurde, dann fehlt auf dem Rückschein jeglicher Portovermerk.
c) Postaufträge
Laut Postordnungen waren die erledigten Postauftragsunterlagen ohne weiteres Porto an den Absender zurückzusenden. Dies geschah teilweise in besonderen Briefumschlägen, teilweise auch als 'Postsache', um sie als gebührenfreie Sendungen zu kennzeichnen. Das gleiche gilt für die 'zu Protest' weitergeschickten Postaufträge.
d) Nachnahmen
Bei Nachnahmen wurde zunächst ab 1872  sowohl der Betrag der Nachnahme als auch die Gebühren getrennt mit Blaustift auf der Adress-Seite des Belegs vermerkt, oft auch wieder durchgestrichen und der Gesamtbetrag ausgewiesen, der vom Postboten beim Empfänger einzuziehen war. Später wurde der Nachnahme-Betrag auf dem violetten Zettel eingetragen und nur noch die Gebühren taxiert. Zuletzt wurden nur noch die Gebühren taxiert.
e) Ortsendungen
Bei Ortssendungen wurden die Gebühren  mit Rotstift taxiert.
f) mangelhafte Frankierung
Während mangelhaft frankierte Postkarten und Drucksachen in der Regel zurückbehalten wurden, wurden Briefe, die im Briefkasten vorgefunden wurden und deren Frankatur mangelhaft war, mit Blaustift wie unfrankierte Sendungen nachtaxiert. Hierbei war ebenso wie bei unfrankierten Briefen eine Zusatzgebühr von 1 Sgr. bzw. 10 Pfg. zusätzlich anzusetzen.
Alle übrigen Sendungen wurden am Postschalter abgefertigt, so dass hier kaum Fehlfrankaturen vorkommen konnten, es sei denn, der abfertigende Beamte hatte sich bei der Berechnung des Portos versehen und das Empfänger-Postamt hat diese Werte korrigiert.
g) Weitersendung
War der Empfänger verzogen oder an anderer Adresse zu erreichen, so konnten zusätzliche Gebühren für die Weitersendung fällig werden. Diese wurden dann ebenfalls in blau taxiert.