Express - Eilboten - Sendungen
1872-1902
Vorschriften - Beispiele - Portofreiheit

Vorschriften
Die Reichspost ermöglichte es, Sendungen vom Empfänger-Postamt durch besonderen Boten sofort bestellen zu lassen. Diesen Wunsch hatte der Absender auf der Sendung besonders zu vermerken.

Ab 1872 wurden die Bezeichnungen
'durch Expressen zu bestellen', 'per Express zu bestellen', 'per Express zu befördern', 'durch besonderen Boten zu bestellen' oder 'sofort zu bestellen';
ab 1875
'durch Eilboten', 'durch besonderen Boten', 'besonders zu bestellen' oder 'sofort zu bestellen';
ab 1900 nur noch  'durch Eilboten'
akkzeptiert, jedenfalls laut Postordnungen.

Die Angaben zur besondern Eilzustellung waren von dem annehmenden Beamten rot zu unterstreichen.  Ab 1.4.1891 musste die Sendung mit rotem Stift diagonal durchkreuzt werden, weil es offenbar immer wieder vorkam, dass Eilsendungen bei der Ankunft übersehen wurden.

Es war dem Absender freigestellt, ob er die besonderen Gebühren der Eilzustellung zahlen wollte. Wenn die Gebühr vom Absender bezahlt wurde, wurde dies zusätzlich vermerkt. Ab 3.1882 war der Vermerk 'Bote bezahlt' vorgeschrieben. Der Absender haftete für alle anfallenden Gebühren. Wenn der Empfänger die Botengebühren nicht bezahlen wollte, wurde bis 2.1882 die Sendung trotzdem zugestellt, wenn der Empänger den Briefumschlag zurückgab, die Weigerung schriftlich bestätigte und den Absender benannte. Danach wurde die Sendung als unzustellbar behandelt.

War eine Sendung nur unzureichend frankiert, so hatte der Empänger den Differenzbetrag zu entrichten, der zwischen dem frankierten Anteil und den Gebühren bestand, die bei fehlender Frankierung zu entrichten waren. Nur in der Zeit von 3.1882 bis Ende 6.1892 wurden solche Sendungen wie Sendungen behandelt, bei denen kein Botenlohn bezahlt worden war.

Pakete wurden nur bis zu einem Höchstgewicht direkt zugestellt. Schwerere Pakete mussten abgeholt werden, nachdem die Begleitadresse bzw. der Abholschein per Eilboten zugestellt wurde. Das Höchstgewicht betrug bis Ende 1874 2,5 kg, danach 5 kg.
Bei Wertsendungen war ebenfalls eine Obergrenze festgelegt, sie betrug bis Ende 1874 50 Thaler bzw. 87 ½ Gulden, bis 2.1882 300 Mark, bis Ende 1898 400 Mark und danach 800 Mark. Bei Wertsendungen oberhalb dieser Grenze wurden ebenfalls nur die Abholscheine per Eilboten bestellt.
Bei Postanweisungen wurde der Geldbetrag den Eilboten stets mitgegeben.

Die Eilzustellung war zunächst nicht für Ortssendungen zugelassen. Erst mit Wegfall der Privatpost 1900 wurde die Eilzustellung für einfache Briefsendung im Ortsverkehr zugelassen. Weiterhin wurden ab 3.1882 Sendungen mit Zustellungsurkunde nicht mehr für die Eilzustellung zugelassen.

Für die vom Absender zu entrichtenden Eilbotengebühren waren einheitlich für den ganzen Zeitraum 2 ½ Silbergroschen bzw. 9 Kreuzer und ab 1875 25 Pfennige zu entrichten, wenn die Sendung im Ortsbereich des Empänger-Postamtes zuzustellen war und man sich auf die Zustellung der Begleitadresse oder des Abholscheins beschränkte. Die Gebühren für die Zustellung im Landbestellbereich oder bei direkter Zustellung der Pakete und Wertsendungen änderte sich mehrfach. Sie sind - wie alle anderen Einzelheiten auch - bei den einzelnen Postordnungen unter dem Stichwort Eilboten nachzulesen.
Bei der Bezahlung der Gebühren durch den Empfänger galten zunächst die gleichen Gebühren wie bei der Bezahlung durch den Absender, ab 3.1882 waren die tatsächlich anfallenden Gebühren zu zahlen, die aber nicht geringer anzusetzen waren, als die, die der Absender zu zahlen hatte (s. Postordnungen).

Beispiele

                                   

Eine Postkarte, als - per Eilboten - Bote bezahlt - deklariert und richtig frankiert, wird am 4.9.1899 zwischen 9 und 10 Uhr vormittags in Leipzig im Postamt 3 entgegengenommen. Die Karte ist nach Wilmersdorf bei Berlin gerichtet. Der Schalterbeamte unterstreicht die Eilboten-Deklarationen und bringt ein Diagonalkreuz an, dass nicht - wie vorgeschrieben - über die Ganze Karte geht und notiert noch einmal den Zielort mit blauem Stift mit der korrekten Abkürzung Bln für Berlin. Die Karte wird zum Zug nach Berlin gebracht, wie der ovale Bahnpoststempel ausweist. Sie kommt zwischen 5 und 6 Uhr in Berlin im Postamt 9 am Potsdamer Bahnhof an. Hier wird das Postamt 30 als nächstes Ziel für die Rohrpostbeförderung vermerkt (blaue 30) und die Karte wird zum nächsten Rohrpostamt (R6) am Potsdamer Platz gesandt. Der Zeitpunkt auf dem Rohrpoststempel ist 5 Uhr 40 nachmittags. 10 Minuten später wird die Karte per Rohrpost im Postamt 30 in der Nähe des Nollendorfplatzes  entgegengenommen. Dieses Postamt nahe der Stadtgrenze ist offenbar für die Berliner Postsendungen nach Wilmersdorf zuständig. Auf der Postleitkarte für die OPD Berlin ist von dort eine Postroute nach Wilmersdorf mit einer Entfernung von 3 km  eingetragen. Wie die Karte nach Wilmersdorf gelangt, ist ihr nicht zu entnehmen. Sie wird jedoch 2 Stunden später im Postamt Wilmersdorf abgestempelt und von dort per Boten zugestellt. Selten wird der Weg einer Eilsendung so lückenlos dokumentiert. 

                                     

Diese Postkarte nach Essen (Oldenburg) wird am 14.10.1891 in Lippstadt (laut Absender auf der Rückseite) in  den Postkasten am Zug von Holzminden nach Aachen geworfen. Gerade wenn es besonders eilig war, wurde häufig von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Briefsendungen direkt zum Zug zu bringen. Die Karte trägt den Vermerk 'Sofort zu bestellen' und ist mit 25 Pfennig frankiert. Im Eisenbahn-Post-Büro des Zuges wird die Karte mit einem Diagonalkreuz als Eilbotensendung gekennzeichnet. Die Kennzeichnung 'Bote bezahlt' fehlt, weil die Frankierung nicht ausreicht. Der fehlende Betrag von 5 Pfennig wird blau taxiert. Hier haben Empfänger oder Absender Glück gehabt, denn zu dieser Zeit schrieb die Postordnung vor, die Sendung so zu behandeln, als wäre kein Eilbotenporto gezahlt worden. (Ein Beispiel für eine vorschriftsmäßige Behandlung finden Sie bei einer Sendung nach Chemnitz.) Obwohl der Zielort nicht an dieser Bahnstrecke liegt, wird die weitere Strecke und auch die Ankunft in Essen (Oldenburg) nicht  weiter dokumentiert.

Weitere Beispiele finden Sie bei der allgemeinen Suche nach Belegen unter Besonderheiten: per Eilboten.

Eilboten-Sendungen und Portofreiheit

Die regierenden Fürsten im Bereich der Deutschen Reichspost konnten Ihre Briefe per Eilboten versenden, ohne dafür Gebühren bezahlen  zu müssen.

Beispiel

                                     

Dieser am 26.1.1897 im Berliner Kabinetts-Postamt aufgegebene eingeschriebene Brief an einen Oberstleutnant in Münster ist als Königliche Angelegenheit  deklariert und mit dem Stempel versehen: "Durch Eilboten zu bestellende Allerhöchste Ordre". Handschriftlich ist hinzugefügt: "Am 27. Januar früh 7 ½  Uhr zu behändigen." Der Brief wurde zwischen 8 und 9 Uhr abends per Einschreiben abgesandt - offenbar zu spät, denn er kam erst am nächsten Tag zwischen 10 und 11 Uhr in Münster an. Auch 'Allerhöchste Ordre' müssen sich den Möglichkeiten der Reichspost beugen.

Für den Briefverkehr des Kaiserpaares gab es besondere Bestimmungen im § 4 und § 5 der Postdienst-Instruction. Diese Briefe wurden in besonderen Umschlägen per Eilboten und per Einschreiben versandt, wie der folgende Beleg zeigt.

                                       

Alle übrigen Institutionen und Personen, denen Portofreiheit gewährt wurde, mussten die Eilbotengebühren entrichten. S. Artikel 13 des Regulativs zum Portofreiheitsgesetz.