Behändigung 1868-1871

Eine ausführliche Darstellung der Behändigungen ist in dem Heft 64 der Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft NDP zu finden (s. Startseite).

Bei Übernahme der Post durch den Norddeutschen Bund bestanden in den bisherigen Postgebieten unterschiedliche Verfahren zur Übergabe von gerichtlichen Verfügungen und Schreiben per Behändigung. Das Reglement vermerkt dazu zunächst nur, dass es bei den gerichtlichen Verfügungen bei den bisherigen Regelungen verbleibt ( § 38 Abs. IV).
Gerichtliche Behändigungen aus der Zeit vor dem 1.1.1870 sind bisher nur aus drei Staaten und aus dem Kreisgericht Gotha bekannt:
Preußen:
Hier genießen die meisten gerichtlichen Schreiben Portofreiheit. Für die übrigen ist eine Behändigungsgebühr von 3 Gr. zu zahlen. Bei portopflichtigen Sendungen zahlt das absendende Gericht zumindest das Porto für die Sendung  zum Empfänger, manchmal auch sämtliche Gebühren im Voraus. Es gibt Sonderregelungen für die neueren preußischen Gebiete in der Zeit vom 1.1.1868 - 12.5.1868.
Behändigungsscheine der Staatsanwaltschaften wurden wie gerichtliche Behändigungscheine behandelt.
Sachsen:
Alle Portobeträge für Hin- und Rücksendung trägt das absendende Gericht im Voraus. Die Behändigungsgebühr von 2½ Gr. bzw. 1 Gr. 3 Pf. trägt immer der Empfänger.
Mecklenburg-Schwerin:
Behändigungen müssen mit Recommandation versandt werden und können einen Vorschuss enthalten.Eine Behändigungsgebühr wird nicht erhoben.  Alle Gebühren werden vom Empfänger getragen. Die Behändigungsscheine der Canzlei-Exekutoren (Gerichtsvollzieher) in den Justiz-Canzleien wurden nach dem gleichen Verfahren wie die von Gerichten behandelt.
Kreisgericht Gotha:
Es wird eine Behändigungsgebühr von 3 Gr. erhoben. Der Empfänger zahlt die Behändigungsgebühr und das Rückporto für den Behändigungsschein.

Die Verfahren in diesen Gebieten  sollen an Beispielen erläutert werden:
Behändigungsschein nach Cosel in Preußen 1868
Behändigungsschein in den Landbestellbezirk Biedenkopf in Preußen (Hessen-Nassau) 1868
Insinuations-Document nach Gotha in Sachsen-Coburg-Gotha 1868
Insinuations-Document im Landbestellbezirk von  Gotha 1869
Behändigungsschein nach Freiberg in
Sachsen 1869
Behändigungschein nach Namslau in Preußen 1869
Insinuations-Document nach Krakow in Mecklenburg-Schwerin 1868

Das Verfahren für Behändigungen seitens nicht gerichtlicher Absender wird dagegen im Reglement im § 38 einheitlich geregelt und als Gebühr für die Behändigung 3 Gr. (11 Kr.) festgesetzt. Dabei wird nicht festgelegt, wer diese Gebühr zu zahlen hat. Porto oder Behändigungsgebühr können vom Absender oder vom Empfänger getragen werden. Beispiele:
Königliche Spezial-Kommission Krotoschin1868
Bergbehörde Halberstadt 1869


Anlässlich der Veröffentlichung des Portofreiheitsgesetzes wird in der Verfügung des Amtsblattes der Norddeutschen Post-Verwaltung vom 15.12.1869 mit Wirkung zum 1.1.1870 das Verfahren zur Behandlung von Behändigungen neu geregelt:


Porto- und Gebühren-Erhebung für amtliche Ausfertigungen mit Insinuations-Document.

Soweit den Postanstalten amtliche (gerichtliche und außergerichtliche) Verfügungen etc. mit Insinuationns-Document zur Besorgung übergeben werden, kommen vom 1. Januar 1870 ab im ganzen Umfange des Norddeutschen Postbezirks folgende Porto- und Gebührenbeträge gleichmäßig in Anwendung:
1) das tarifmäßige Porto für den Hinweg der Verfügung mit 1 Gr. resp. 3Xr. (oder, Falls der Brief nach Abnahme des Insinuations-Documents mehr als 1 Loth wiegt, mit 2 Gr. resp. 7 Xr.);
2) die Insinuations-Gebühr mit 1 Gr. resp. 4 Xr.;
3) das Porto für die Rücksendung des Insinuations-Documents mit 1 Gr. resp. 3 Xr., und im Falle die Verfügung an einen Adressaten im Landbestellbezirk der Postanstalt des Bestimmungsorts gerichtet ist - ohne Rücksicht auf den bei der betreffenden Postanstalt im Uebrigen bestehenden Tarif  für die Landbrief-Bestellung -
4) ein Landbrief-Bestellgeld von ½ Gr. resp. 2 Xr.
Die vorstehend bezeichneten Porto- und Gebührenbeträge sind sämmtlich:
entweder
von der absendenden Behörde
oder
von dem Adressaten der Verfügung
zu entrichten. Die Berechnung der Porto- etc. Beträge erfolgt auch in Ansehung der Insinuations-Gebühr und des etwaigen Landbrief-Bestellgeldes stets in derjenigen Währung, in welcher die Postanstalt rechnet, der die Erhebung obliegt, mithin bei der Zahlung durch die absendende Behörde in der Währung der Postanstalt des Aufgabeorts und bei der Zahlung durch den Adressaten in der Währung der Postanstalt des Bestimmungsorts.

Im Einzelnen gestaltet sich das Verfahren, wie folgt:

I. Wenn die absendende Behörde die Porto etc. -Beträge entrichten will.

Die absendende Behörde entrichtet bei der Einlieferung der Verfügung etc. mit Insinuations-Document zunächst nur das Porto für den Hinweg der Verfügung. Die übrigen Beträge, nämlich:
die Insinuations-Gebühr, das Porto für die Rücksendung des Insinuations-Documents und das etwaige Landbrief-Bestellgeld*)
werden erst auf Grund des vollzogen zurückkommenden Insinuations-Documents von der absendenden Behörde in der bei der Aufgabe-Postanstalt geltenden Währung entrichtet.
Falls eine Insinuation nicht ausgeführt werden kann, ist außer dem (sogleich bei Einlieferung der Sendung berichtigten) Porto für den Hinweg der Verfügung überhaupt keine Zahlung weiter zu entrichten.

Fußnote auf Seite 2  *) Das Landbrief-Bestellgeld ist danach in den sub I. behandelten Fällen nicht von der Postanstalt des Bestimmungsorts in Einnahme nachzuweisen, sondern erst durch die Zutaxe auf den Aufgabeort der Vereinnahmung zur Postkasse zuzuführen.

II. Wenn die Entrichtung der Porto etc. -Beträge durch den Adressaten erfolgen soll.

Das tarifmäßige Porto für den Hinweg der Verfügung, die Insinuations-Gebühr, das Porto für die Rücksendung des Insinuations-Documents und das etwaige Landbrief-Bestellgeld werden in der am Orte der Distributions-Postanstalt geltenden Währung von dem Adressaten der Verfügung etc. eingefordert.
Verweigert der Adressat die Berichtigung der von ihm gefordertten Beträge, so erfolgt dessen ungeachtet die Insinuirung der Verfügung an ihn; es wird vorausgesetzt, daß die unberichtigt gebliebenen Porto- und Gebührenbeträge in solchem Falle auf Grund des Insinuations-Documents in der bei der Postanstalt am Aufgabeorte geltenden Währung von der absendenden Behörde entrichtet werden.
Hat eine Insinuation überhaupt nicht zur Ausführung gebracht werden können, so ist nur das Porto für den Hinweg der Verfügung bei Rückgabe derselben von der absendenden Behörde zu entrichten.

III. Wenn die Bestellung und Insinuirung  der Verfügung etc. durch einen expressen Boten erfolgen soll.

Wenn die Bestellung eines Briefes mit Insinuations-Document nicht in der gewöhnlichen Tour, sondern durch expressen Boten erfolgen soll, so tritt den oben unter 1 bis 3 verzeichneten Gebühren das tarifmäßige Expressbestellgeld hinzu. Dasselbe ist im Falle der Frankirung des Briefes gleichzeitig mit dem Porto für den Hinweg von der absendenden Behörde zu entrichten.

IV. Wenn die Verfügung an einen Adressaten im eigenen Orts- oder Land-Bestellbezirk der Aufgabe-Postanstalt gerichtet ist.

Für Verfügungen etc. mit Insinuations-Document, welche an Adressaten im eigenen Orts-Bestellbezirk der Aufgabe-Postanstalt gerichtet sind, kommt
1) die gewöhnliche Bestellgebühr für Briefe aus dem Orte an Adressaten im Orte selbst (Stadtbriefe) und
2) die Insinuations-Gebühr von 1 Gr. resp. 4 Xr.
zur Anwendung.
Für Verfügungen etc. mit Insinuations-Document, welche an Adressaten im eigenen Land-Bestellbezirk der Aufgabe-Postanstalt gerichtet sind, kommt
1) ein Landbrif-Bestellgeld von 1/2 Gr. resp. 2 Xr. und
2) die Insinuations-Gebühr von 1Gr. resp. 4 Xr.
zur Anwendung.
Wenn die absendende Behörde die Beträge zahlen will, dann ist die Bestellgebühr gleich bei der Einlieferung der Sendung zu entrichten, wonächst die Insinuations-Gebühr bei der Rückkunft des vollzogenen Insinuations-Documents zu entrichten ist.
Bei frankirten Stadtbriefen in größerer Zahl treten die üblichen Ermäßigungen der Bestellgebühr ein.

V. Postamtliche Anforderungen an die äußere Beschaffenheit der Briefe mit Insinuations-Document.

Die gegen Behändigungsschein zu insinuirenden Verfügungen etc. müssen in Briefform zur Post geliefert werden. Gelder oder Gegenstände von Werth dürfen solchen Verfügungen etc. nicht beigefügt sein; ebensowenig darf Postvorschuß auf dergleichen Sendungen entnommen werden.
Verfügungen, welche nicht an eine Person adressirt sind, sondern mehreren, auf der Adresse benannten Personen nacheinander als Umlauf insinuirt werden sollen (Currenden), werden von den Postanstalten zur Besorgung nicht übernommen.
Der Verfügung muß das Formular zum Behändigungsschein offen beigefügt sein. Die Adresse der Verfügung wird von der absendenden Behörde mit dem Vermerk "Portopflichtige Dienstsache" und mit dem Zusatz "hierbei ein Post-Insinuations-Document" versehen. Die Verfügung muß mit dem Dienstsiegel der absendenden Behörde verschlossen sein. Einzeln stehende Beamte, welche ein solches nicht führen, haben unter dem Vermerk "Portopflichtige Dienstsache"  die "Ermangelung eines Dienstsiegels" mit Unterschrift des Namens und Beisetzung des Amts-Characters zu bescheinigen.
Wenn die Porto u. s. w. - Beträge durch die absendende Behörde entrichtet werden, tritt dem auf der Adresse der Verfügung enthaltenen Vermerk "portopflichtige Dienstsache" noch die Bezeichnung "frei" hinzu.
Auf die Außenseite des zusammengefalteten Formulars zum Behändigungsschein muß gleich von der absendenden Behörde die für die Rücksendung erforderliche Adresse gesetzt sein; doch ist hier der Zusatz "Portopflichtige Dienstsache" nicht nöthig und jeden Falls ein Franco-Vermerk von der absendenden Behörde nicht hinzuzusetzen.
Behörden, welche das Porto u. s. w. für die von ihnen frankirt abzusendenden Briefe u. s. w. durch  ein Aversum entrichten, haben in Fällen, in welchen nicht der Adressat die Beträge entrichten soll, die Briefe mit Insinuations-Documet und das Formular zum Behändigungsscheine lediglich mit dem für die Aversionirung anwendbaren, anderweit bestimmten Vermerke zu versehen.

VI. Behandlung der Verfügungen etc. mit Insinuations-Document in reinen Bundesdienst-Angelegenheiten u. s. w.

Für Verfügungen etc. mit Insinuations-Document in reinen Bundesdienst-Angelegenheiten und solchen sonstigen Angelegenheiten, welche nach dem Gesetze vom 5. Juni 1869, die Portofreiheiten im Gebiete des Norddeutschen Bundes betreffend, noch portofrei sein werden, kommt nur die Insinuations-Gebühr von 1 Gr. resp. 4 Xr. zur Erhebung. Porto für den Hinweg der Verfügung, Porto für die Rücksendung des Documents und Landbrief-Bestellgeld bleiben dagegen außer Ansatz. Die Verfügungen sind auf der Adresse  mit der betreffenden portofreien Bezeichnung zu versehen; dieselbe Bezeichnung muß noch auf der Außenseite des Insinuations-Documents enthalten sein.
Wenn die absendende Behörde die Insinuations-Gebühr entrichten will, ist dem portofreien Rubrum auf der Adresse der Verfügung und auf dem Insinuations-Documente ein bezüglicher Vermerk beizufügen, z. B. "Insinuationsgebühr zahlt der Absender"; die Gebühr wird alsdann bei Rückgabe des Documents eingezogen. Findet sich ein solcher Vermerk nicht vor, dann wird die Insinuations-Gebühr vom Adressaten eingefordert. Weigert sich der Adressat, die Insinuationsgebühr zu zahlen, so wird dies die Ausführung der Insinuation nicht hindern; die Insinuationsgebühr wird vielmehr in solchem Falle von der absendenden Behörde eingezogen werden.
Briefe mit Insinuations-Document nach dem eigenen Orts- oder nach dem eigenen Land-Bestellbezirk der Aufgabe-Postanstalt werden, auch wenn dieselben mit einem portofreien Rubrum versehen sind, lediglich nach den Bestimmungen sub IV. behandelt, so daß im Vergleich damit hierbei keine Erleichterung stattfindet.

Diese Bestimmungen werden ergänzt duch einen Nachtrag für die Postanstalten in den Großherzogtümern Mecklemburg-Schwerin und Mecklemburg-Strelitz. Dort tritt an die Stelle des Landbrief-Bestellgeldes die "Abtrage-Vergütung", wenn eine regelmäßige Landbrief-Bestellung noch nicht eingerichtet ist.

Dieses Verfahren betraf nur die Behandlung durch die Post. Die vorher für die gerichtlichen Verfahren benutzten Formulare wurden unter meist handschriftlicher Korrektur und Ergänzung weiter verwendet. In Mecklenburg-Schwerin wurden neue Formulare gedruckt, da ab 1.1.1870 keine Vorschüsse mehr entnommen werden durften.

Durch Verordnung No. 85 des Reichskanzlers vom 22.9.1871 im Amtsblatt der Deutschen Reichs-Postverwaltung, S. 339,
können vom 15.10.1871 ab  auch Privatpersonen Schreiben mit Behändigungsschein absenden:

In Betreff der Bestellung dieser Schreiben gelten die Bestimmungen im § 38 Nr. I. und II. des Reglements vom 11. December 1867 zu dem Gesetze über das Postwesen vom 2. November 1867, jedoch mit der Maßgabe, daß die Briefträger nicht befugt sind, die von Privat-Personen ausgehenden Schreiben mit Behändigungsschein an die Stuben- oder Hausthür des Adressaten zu befestigen.
Die gegen Behändigungsschein zu insinuirenden Schreiben müssen in Briefform zur Post geliefert werden. Gelder oder Gegenstände von Werth dürfen solchen Schreiben nicht beigefügt sein; ebensowenig darf Postvorschuß auf dergleichen Sendungen entnommen werden.
Jedem Schreiben muß ein gehörig ausgefülltes Formular zum Behändigungsschein offen beigefügt sein. Solche Formulare zu Behändigungsscheinen können bei allen Postanstalten bezogen werden, und zwar zum Preise von ¼ Sgr. für 5 Stück.
Die Adresse des Schreibens ist mit dem Zusatze "Mit Behändigungsschein" zu versehen. Auf die Außenseite des zusammengefalteten Formulars zum Behändigungsschein ist vom Absender des Schreibens die für die Rücksendung erforderliche Adressse zu setzen.
An Gebühren kommen in Ansatz:
1) das tarifmäßige Porto für die Beförderung des Schreibens nach dem Bestimmungsorte und bezw. für die Rücksendung des Behändigungsscheins, und
2) eine Insinuationsgebühr von 2 Sgr. bezw. 7 Kr.
Diese Beträge können entweder vom Absender oder vom Adressaten entrichtet werden. Will der Absender die Gebühren tragen, so zahlt er bei der Einlieferung des Schreibens zunächst nur das tarifmäßige Porto für die Beförderung des Schreibens nach dem Bestimmungsorte, die anderen Beträge werden erst auf Grund des vollzogen zurückkommenden Behändigungsscheins von dem Absender eingezogen. Falles die Insinuation nicht ausgeführt werden kann, kommt nur das tarifmäßige Porto für die Beförderung des Schreibens nach dem Bestimmungsorte zum Ansatz.
An Einwohner im Orts-oder Landbestellbezirke der Aufgabe-Postanstalt werden Schreiben mit Behändigungsschein unter denselben Bedingungen wie an Adressaten im Bereiche anderer Postorte angenommen.

Belege zu Behändigungsscheinen